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Greven, St. Josef, St. Marien, St. Martinus, 07.03.

Dritter Fastensonntag 2021

Greven, St. Josef, St. Marien, St. Martinus, 07.03.
 

Eröffnung

Jetzt, am dritten Sonntag der vierzigtägigen Vorbereitungszeit, liegt die erste Hälfte des Weges von Aschermittwoch nach Ostern hinter uns – und die zweite vor uns. Am Anfang der Liturgie begegnet uns heute dieser Psalm-Vers:
„Meine Augen, Gott, schauen stets auf dich; denn du befreist meine Füße aus dem Netz. Wende dich zu mir und sei mir gnädig; denn ich bin einsam und gebeugt “ (Ps 25,15 - 16).

Gott ist es ein Anliegen, mehr noch, es freut ihn, Füße aus dem Netz zu befreien. Wer daran glaubt, wird Gott am Werk sehen in allen, die sich nach Befreiung sehnen, in allen, die Befreiung fördern – mit Herz und Seele, mit Entschlossenheit und Vertrauen. Füße, die sich im Netz verfangen haben, werden befreit – auch das Glück, das wir dabei empfinden, ist Geschenk, Geschenk der Liebe Gottes.

 

Lesung (1 Korinther 1,22 – 25)

Schwestern und Brüder! Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkünden Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen.

 

Evangelium (Johannes 2,13 – 25)

Das Paschafest der Juden war nahe und Jesus zog nach Jerusalem hinauf. Im Tempel fand er die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler, die dort saßen. Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hin-aus samt den Schafen und Rindern; das Geld der Wechsler schüttete er aus, ihre Tische stieß er um und zu den Taubenhändlern sagte er: Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle! Seine Jünger erinnerten sich, dass geschrieben steht: Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren. Da ergriffen die Juden das Wort und sagten zu ihm: Welches Zeichen lässt du uns sehen, dass du dies tun darfst? Jesus antwortete ihnen: Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten. Da sagten die Juden: Sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut und du willst ihn in drei Tagen wieder aufrichten? Er aber meinte den Tempel seines Leibes. Als er von den Toten auferweckt war, erinnerten sich seine Jünger, dass er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte. Während er zum Paschafest in Jerusalem war, kamen viele zum Glauben an seinen Namen, da sie die Zeichen sahen, die er tat. Jesus selbst aber vertraute sich ihnen nicht an, denn er kannte sie alle und brauchte von keinem ein Zeugnis über den Menschen; denn er wusste, was im Menschen war.

 

Predigt (Exodus 20,1 - 17; Psalm 19,8 - 12; 1 Korinther 1,22 - 25; Johannes 2,13 - 25)

Jesu Auftritt im Jerusalemer Tempel – schon als Kind und als Jugendlicher hörte ich die Geschichte von diesem Protest-Paukenschlag gern. Fasziniert bewunderte ich die Entschlossenheit Jesu, seinen Mut, seine Tatkraft.

Als junger Erwachsener habe ich dann auch demonstriert – allerdings weniger spektakulär, weniger nachhaltig. So sind diese Aktionen schon fast vergessen, und das ist auch ganz in Ordnung. Trotzdem möchte ich noch einmal kurz darüber sprechen – alte Leute erzählen eben gern von früher. Man genießt dabei eine gewisse Narrenfreiheit. Davon mache ich jetzt gern Gebrauch. Diese Demonstrations-Anlässe und -Orte sind mir wieder eingefallen: Wir protestierten, als in Münster von der Polizei Häuser geräumt werden sollten, deren Wohnraum Hausbesetzerinnen und Hausbesetzer für sich beanspruchten. Ebenfalls Anfang der achtziger Jahre trafen wir uns in Bonn, in Amsterdam und Mutlangen zu Friedensdemonstrationen gegen die Nachrüstung von Raketen mit Atomsprengköpfen. Später gab es dann Kundgebungen vor dem Zwischenlager in Ahaus. Dort sind immer noch Castor-Behälter mit hochradioaktiven Abfällen untergebracht. Da habe ich vor Jahren sogar einmal einen Gottesdienst gehalten und gepredigt. Und schließlich, vor achtzehn Jahre, fuhr ich im Frühjahr 2003 mit den Frauen und Männern meiner Utrechter Wohn- und Lebensgemeinschaft nach Amsterdam, zur Demonstration gegen den Irakkrieg des damaligen US-Präsidenten Bush. Dieses vielfältig misshandelte Land besucht an diesem Wochenende Papst Franziskus.

Mittlerweile liegt das Demonstrieren hinter mir. Aber als Ruheständler freue ich mich sehr über die Bewegung „Fridays for Future“, „Freitage für Zukunft“, die Greta Thunberg in Schweden ausgelöst hat. Weltweit fordern Schülerinnen und Schüler immer wieder, mit wachsender, manchmal schon verzweifelter Ungeduld, radikalere Maßnahmen gegen den Klimawandel.

Zurück zur sogenannten Tempelreinigung Jesu. Sie schildert der Evangelist Lukas nicht so ausführlich wie die andern drei – Markus, Matthäus und Johannes. Jetzt erst ist mir aufgefallen, dass Lukas hier einen eigenen, einen anderen Akzent setzt. Das spricht mich sehr an. Die Protestaktion Jesu im Tempel fasst Lukas nur zusammen, in drei kurzen Sätzen; er schreibt: Jesus ging „in den Tempel und begann, die Händler hinauszutreiben. Er sagte zu ihnen: Es steht geschrieben: Mein Haus soll ein Haus des Gebetes sein. Ihr aber habt daraus eine Räuberhöhle gemacht“ (Lk 19,45 - 46).

Vor dieser vergleichsweise knappen Notiz schildert Lukas nun aber eine Szene, die sich nur bei ihm findet – nicht bei Markus, Matthäus und Johannes. Lukas erzählt, wie Jesus, bevor er den Tempel erreicht, auf Jerusalem zugeht. Als er näher kommt und die Stadt sieht, weint er über sie und sagt: „Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was Frieden bringt. Jetzt aber ist es vor deinen Augen verborgen. Denn es werden Tage über dich kommen, in denen deine Feinde rings um dich einen Wall aufwerfen, dich einschließen und von allen Seiten bedrängen. Sie werden dich und deine Kinder zerschmettern und keinen Stein in dir auf dem andern lassen, weil du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkannt hast“ (Lk 19,41 - 44).

Jesus weint und klagt. Jesus trauert. Er leidet darunter, dass die Hauptstadt Israels so wenig Zuflucht ist, noch gar nicht Heimat für das Volk der Seligpreisungen. Dabei könnte Jerusalem zur glücklichsten Stadt der Erde werden – wenn sie dort schon wohnten, die zum Volk der Seligpreisungen gehören: Sie, die rein sind im Herzen, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit. Sie, Sanftmütige und Barmherzige, Trauernde und Verfolgte, Friedensstifter. Sie, die Armen vor Gott, denen das Himmelreich gehört (vgl. Mt 5,3 - 12).

Die Herzensanliegen Jesu – sind mit ihnen nicht Sehnsüchte derer verwandt, die jetzt gegen die Unterdrückung durch diktatorische Regime demonstrieren: Auf Straßen und Plätzen in Belarus und Myanmar, in Russland, und im vorigen Jahr noch, aber jetzt schon nicht mehr, in Hongkong? Ja, es schreit zum Himmel: Von hochgesicherten Residenzen aus, diesen Götzentempeln von Macht und Reichtum, werden Menschenleben durch Unrecht und Gewalt vernichtet – ein Tempel des Leibes, Gottestempel, nach dem anderen. Auch Jesus ist so ums Leben gekommen (vgl. dazu diese Verse des heutigen Evangeliums, Joh 2,18 - 21).
„Wir wissen“, schreibt Paulus, „dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt“ (Röm 8,22). Jesus sagt in der dritten Abschiedsrede des Johannesevangeliums: „Eure Trauer wird sich in Freude verwandeln. Wenn die Frau gebären soll, hat sie Trauer, weil ihre Stunde gekommen ist; aber wenn sie das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an ihre Not über der Freude, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. So habt auch ihr jetzt Trauer, aber ich werde euch wiedersehen; dann wird euer Herz sich freuen und niemand nimmt euch eure Freude“ (Joh 16,21-22).

Auch das Weinen und Klagen Jesu verlangt nach dieser Freude, für die sich Gott verbürgt, die kommen wird und bleibt. Jetzt, dort am Stadtrand von Jerusalem, ist er der Verlassene, einsam und gebeugt. Aber auch in ihm – wie in so vielen vor ihm und nach ihm – lebt der Glaube, wie er aus dem Psalmwort spricht, mit dem wir gerade unsern Gottesdienst eröffnet haben: „Meine Augen schauen stets auf den Herrn; denn er befreit meine Füße aus dem Netz. Wende dich zu mir und sei mir gnädig; denn ich bin einsam und gebeugt“ (Ps 25,15).
 
Mit dieser Eucharistiefeier danken wir auch für all die unzähligen Einsamen und Gebeugten, die sich in ihrem Weinen und Klagen nur noch Gott überlassen und anvertrauen konnten. Damit blieben sie einsam und gebeugt – und zugleich ist es dabei nicht geblieben. Denn als sie sich an Gott wandten, sind sie aufgenommen worden von ihm, der ihr Leben dem Tod entrissen hat, ihre Augen den Tränen, ihren Fuß dem Straucheln (Ps 116,8). Aufgenommen sind sie in die Verborgenheit Gottes. Dort, in dieser Geborgenheit, sind sie auch mit uns verbunden, so leisten sie uns sozusagen Gesellschaft. Viele sind es, die so ermutigt, aufgerichtet werden.

 

Fürbitten

Gott – Alleiniger, „Lebendiger, in sich Seiender, Barmherziger und Allmächtiger, Schöpfer Himmels und der Erde, der zu uns Menschen gesprochen hat“ (Nostra Aetate, Die „Erklärung über das Verhältnis“ der katholischen Kirche „zu den nichtchristlichen Religionen“ vom 28. Oktober 1985): Du bist es, der in uns, mit uns, zum Leben erweckt.

  • Für Menschen, denen Diskriminierung zusetzt, die Gewalt erleiden um ihrer Rasse oder Farbe willen, ihres Standes oder ihrer Religion. Für bedrängte ethnische Minderheiten und für Menschen, die wegen ihrer sexuellen Veranlagung verachtet und verfolgt werden. (Kurze Gebetsstille) V: Gott allen Trostes! A: Wir bitten dich, erhöre uns
  • Für alle, die unter Misstrauen und Verdächtigung leiden. Für Menschen, die von ihrem Unglück oder ihrem Unvermögen gezeichnet, tief verwundet sind. (Kurze Gebetsstille) V: Gott allen Trostes! A: Wir …
  • Für beunruhigte, gejagte Menschen, für alle, die ständig flüchten – viele auch vor sich selbst. Für Kranke und Alte, die sich nirgends sicher und wohlfühlen können, die Hilfe und Geborgenheit entbehren müssen. (Kurze Gebetsstille) V: Gott allen Trostes! A: Wir bitten dich, erhöre uns
  • Für Jungen und Mädchen, denen Kinderarbeit oder sogar Kinder-Kriegsdienst den Raum zum Spielen nehmen. Auch sie möchten unbeschwert aufwachsen, möchten lachen mit Freundinnen und Freunden, sich ihrer Phantasie überlassen, um so ihre Fähigkeiten entfalten zu können. (Kurze Gebetsstille) V: Gott allen Trostes! A. Wir bitten dich, …

Gott, unser Vater! Mit so Vielen lässt du uns wohnen im Haus deiner Schöpfung. Deine Güte beweist du bis ins tausendste Geschlecht. Die Himmel erzählen von deiner Herrlichkeit. Vom Werk deiner Hände kündet das Firmament. Ein Tag sagt es dem andern, eine Nacht tut es der andern kund (Ps 19,2 - 3). Mit allem, was du erschaffen hast, wachsen wir der neuen Schöpfung entgegen. Sie ist schon erschienen in Jesus Christus, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und wirkt – in Ewigkeit. Amen.

 

Zum Friedensgruß

Gottes Weisheit und Kraft – die trägt glücklicherweise jeder, jede hier in sich. Was uns da anvertraut ist, wird weiter wachsen. Wir brauchen nur Hände und Herzen für die Gabe Gottes zu öffnen.

 

Schlusswort

In seiner Weisheit und Kraft, lebt Gott in uns, so ermutigt und stärkt er uns. Immer mehr werden wir dann „vor allem das ins Auge (fassen), was den Menschen gemeinsam ist und sie zur Gemeinschaft untereinander führt“ (Nostra Aetate). Dazu und vielfältig anders segnet uns der allmächtig barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

Heinz-Georg Surmund

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