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Greven, St. Martinus, St. Josef, St. Marien, 28.11.

Erster Advent 2021

Greven, St. Martinus, St. Josef, St. Marien, 28.11.

 

Einführung

Wir stehen an der Schwelle. Der Advent beginnt – die Zeit der Vorbereitung auf den letzten Höhepunkt des Jahres, das große Fest der Geburt.
Nun beunruhigt uns gerade die vierte Welle der Corona-Pandemie, und wir wissen nicht, was da – und anderweitig – noch auf uns zukommt. Aber der Advent ist, seit es ihn gibt, immer auch eine Zeit voller Anspannung und Unsicherheit. Da werden schlimme Endzeiten angekündigt – voller Schrecken, bis zum Bersten angefüllt mit Ratlosigkeit, Verzweiflung. Auch biblische Texte hallen wider vom verwüstenden Lärm des Untergangs.

Aber dann, Gottseidank, öffnet sich auch der Raum für das ganz andere. Plötzlich, unerwartet, tun sie sich auf: Oasen von Glück, wohltuend still. Wir werden eingeladen: „Richtet euch auf, und erhebt eure Häupter! Weil sich eure Erlösung naht“ (Lk 21,28).

 

Evangelium (Lukas 21,25 - 28.34 - 36

Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen, und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres. Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf einer Wolke kommen sehen. Wenn (all) das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe. Nehmt euch in Acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euch nicht verwirren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht, (so) wie (man in) eine Falle (gerät); denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen. Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt.

 

Predigt (Jeremia 33, 14 - 16, Psalm 25 (24), 4 - 5.8 - 9.10 u. 14; 1 Thessalonicher 3, 12 - 4, 2; Lukas 21, 25 - 28.34 - 36)

„Wenn (all) das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter! Weil sich eure Erlösung naht“ (Lk 21,28). Das haben wir uns gerade vom Evangelium sagen lassen, an diesem ersten Advent. Schon als Kind freute ich mich, wenn ich diesen Satz hörte. Denn ich stellte mir vor: Die Erlösung, der Erlöser nähert sich, und wir – erhobenen Hauptes gehen wir auf ihn zu. Als Kind zögerte ich nicht, es fiel mir leicht anzunehmen: Ja, so wird es gehen, es wird geschehen, wird gelingen. Ich wusste noch wenig von all den Katastrophen, die Menschen einander schon angetan hatten, kannte all das Entsetzliche nicht, das bereits während meiner Lebenszeit geschehen war und noch bevorstand. Auch wusste ich noch nicht, dass wir Menschen nicht nur Verbrechen an Menschen und anderen Geschöpfen begehen können, sondern sogar an unserer Erde. Und ebenso wenig stellte ich mir als Kind die Frage: Wenn es nun eines Tages auch für mich selbst knüppeldick kommt – Lebenskrise, schwere Krankheit, Verzweiflung, Not und Tod: Wie wird es mir dann ergehen? Wie soll ich denn mit solchen Schicksalsschlägen umgehen? Ob ich mich dann ganz ihm überlassen kann – dem Meister des Bundes, Schöpfer des Alls, Schöpfer unseres Planeten, und auch Schöpfer des neuen Himmels, der neuen Erde?

Lange schon und jetzt immer noch gehöre ich zu denen, die sagen können: Es geht mir gut. Aber zugleich erlebe ich, dass sich angsterfüllte Befürchtungen zusammenballen zu dunklen, zu schweren Lasten, über uns und in uns. Auch das Evangelium an dieser Schwelle zum Advent 2021 erspart uns die beunruhigenden Bilder nicht. Gerade jetzt geben sie uns zu denken – in dieser erneuten Zuspitzung der Pandemie, ihrer vierten Welle, und angesichts all der bedrängenden Erfahrungen mit dem Klimawandel, der sich immer unverkennbarer bemerkbar macht. Was steht uns bevor? Menschen, die vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen? Kräfte des Himmels, die erschüttert werden? Völker, die bestürzt und ratlos sind über das Toben und Donnern des Meeres?

Jesus kannte die Anfangsworte von Psalm 25, dem Psalm dieses Sonntags: „Zu dir, Herr, erhebe ich meine Seele“. Jesus kannte diese Worte nicht nur, er hat sie gebetet, hat ihnen vertraut, sich ihnen anvertraut. Hoffentlich wird auch uns wenigstens diese Zuflucht bleiben in schlimmen Ausnahmen – und Grenzsituationen: „Zu dir, Herr, erhebe ich meine Seele“!

Die Seele erheben – das steht und fällt glücklicherweise nicht mit dem, was wir uns zutrauen und schaffen, was uns gelingt oder misslingt. Und wir brauchen Gott ja nicht an seine Verbundenheit mit uns erinnern. Denn Bund mit uns, das ist er ja. Er schafft unsere Verbundenheit mit ihm und untereinander, nährt und trägt sie – sogar über alle Untergänge hinaus. Dafür verbürgt er sich, das hat er versprochen. Das haben Menschen im Glauben erfahren und angenommen.

Sich unserm Schöpfer anvertrauen – dazu kann auch gehören, ihm zu sagen: „Gott, meine Seele zu dir erheben – oft genug gibt es Augenblicke, in denen ich das nicht kann. Dann bleibt mir nichts Anderes übrig, als auch das noch dir überlassen. Und dann wird mir aufgehen: Auch das, meine Seele zu dir erheben, war ja immer schon deine Sache“.

Wäre dann nicht eigentlich sogar Vorfreude auf den Augenblick angebracht, in dem sich herausstellt: Jetzt kann ich überhaupt nichts mehr? Wird mir dann endlich aufgehen, was ja immer schon galt: Alles kommt von dir, Gott, alles liegt in deiner Hand? Wird dann, wenn ich das besser und tiefer begreife als bisher, weil ich mich ergreifen lasse von der ewigen Liebe, der ich mein Dasein verdanke – wird dabei sogar das Unglück meiner äußersten Schwäche umschlagen in Glück?

Auch heute, gerade an diesem ersten Advent, feiern wir das große Ja Gottes zu allem, was er geschaffen hat. Unser Ja zueinander, jedes Ja nicht nur in Worten, sondern auch in Taten, empfängt seine Kraft vom Ja Gottes. So wie Gott sich bekennt zu seiner Schöpfung, zu jedem Geschöpf, zu uns, ohne Vorbehalte: Diese einzigartige Annahme ist unwiderruflich, setzt immer neu an – und wird sich durchsetzen. Gottes Ja – das konnten wir nicht erfinden, und wir brauchten es auch nicht. Unser Ja ist immer Antwort, hat seine Quelle im großen Ja Gottes. Als Gott die ganze Schöpfung und dann auch den ersten Menschen erschaffen, als er dieses Werk vollendet hat, da sieht er, dass es gut ist, sogar sehr gut (Gen 1, 31). Wir leben, weil dieser Blick auf uns ruht, weil Gott uns so sieht: „Gut, sehr gut!“

„Halleluja!“ – gut, dass es diesen großen jüdischen Freudenruf gibt. Bejahung aus ganzem Herzen, voller Freude, dafür steht dieses Wort. Halleluja – dieser geheime Akkord, „den David spielte und der Gott gefiel“ – er hat uns auch heute wieder aufgesucht (Leonard Cohen in einem Song aus dem Jahr 1984: „Now I've heard there was a secret chord that David played, and it pleased the Lord“). Ich möchte ihn jetzt noch einmal wiederholen, aber mit geschlossenem Mund, möchte die Melodie nur summen. Denn auch und gerade darin, im Summen, kann die innere Freude an Gottes großem Ja erscheinen, Dankbarkeit für die stille Kraft der Bejahung, die uns beseelt. Beim Summen stellen wir die Melodie nicht in den Raum, der uns umgibt. Beim Summen kehrt die Melodie bei mir ein, macht den Leib zum Klangraum: … Ob wir es so auch gemeinsam probieren? …

Singen wir es dann summend miteinander noch zwei Mal – zuerst jetzt aus Dankbarkeit für das Ja Gottes – Gottes Ja zu seiner Schöpfung, und zu jeder, zu jedem von uns: … Summen wir es noch einmal aus Dankbarkeit für alle Bejahung, die in uns lebt – wir empfangen sie, und sie geht auch von uns aus: …

 

Zum Friedensgruß

„Gott, der Samen gibt für die Aussaat und Brot zur Nahrung, wird auch euch das Saatgut geben und die Saat aufgehen lassen; er wird die Früchte eurer Gerechtigkeit wachsen lassen“ (2 Kor 9,10).

 

Schlusswort

Der Advent erinnert nicht nur daran, wie allgegenwärtig Gottes Ankunft in Jesus bisher war – und auch heute ist. Der Advent kündigt uns auch die Ankunft Jesu in all den Zeiten an, die noch bevorstehen. Jesu Ankunft ereignet sich in unzähligen Milliarden von Augenblicken. Der Atem des Gottesgeistes in seiner Schöpfung ist nicht weniger wirklich als der Atem, der zwanzigtausend Mal am Tag bei uns ein- und ausgeht. So und vielfältig anders segnet uns der allmächtig barmherzige Gott, …

 

Heinz-Georg Surmund

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